Mein letztes Storythema ist auf grosse Resonanz gestossen, deshalb gerne noch in Form eines schriftlichen Beitrags. Gefühlt haben heute alle ADHS oder sind hochsensibel. Was mich daran
beschäftigt: Immer häufiger werden Menschen mit solchen Verdachtsdiagnosen konfrontiert – nicht von Fachpersonen, sondern von Bekannten, Coaches, oder durch Selbsteinschätzungen aus ein paar
Online-Posts. Das kann verunsichern, statt zu klären. Denn hinter diesen Begriffen stehen komplexe neurobiologische und psychologische Zusammenhänge – keine schnell erklärten Trends.
Ich sage das nicht, um das Leiden echter ADHS-Betroffenen oder hochsensibler Menschen kleinzureden - im Gegenteil: gerade weil diese Themen ernst sind, sollten wir sie nicht inflationär benutzen!
Was wir gerade kollektiv erleben, ist meiner Ansicht nach etwas anderes: Wir ALLE sind reizüberflutet. Ständig erreichbar, überinformiert, überfordert von Eindrücken, Erwartungen, Vergleichen.
Unsere Nervensysteme stehen unter Dauerbeschuss – und reagieren genau so, wie sie eben reagieren müssen: mit Unruhe, Ablenkbarkeit, Reizbarkeit, Erschöpfung, emotionaler Empfindlichkeit. Das ist
kein individuelles Defizit. Das ist ein Symptom unserer Zeit.
Vielleicht geht es also weniger darum, uns selbst und andere zu diagnostizieren – und mehr darum, unser Umfeld, unser Tempo und unseren Umgang mit
Reizen zu hinterfragen. Der Schlüssel lautet nicht Angstmacherei, maximale Diagnostik und Ruhigstellung durch Medikation, sondern Reizabschirmung, Achtsamkeit und Nervensystemregulierung.
Sensibilität ist nichts Neues. Aber in einer lauten Welt wird sie sichtbarer – und manchmal eben auch verletzlicher.
Lasst uns deshalb bitte vorsichtig sein mit Etiketten, achtsam im Umgang mit Diagnosen, und einfühlsam mit uns selbst. Manchmal braucht es keine Schublade, sondern einfach Raum, Ruhe und
Verständnis 🕊️
