Da gibt es doch dieses Phänomen; wir lernen jemanden kennen, ein Hauch einer gegenseitiger Anziehung ist vorhanden, und schon sind wir blitzverliebt. Mit viel Mühe zusammengerührt, mit Spannung erwartet, sackt es aber kurz darauf unaufhaltsam wieder in sich zusammen. Irgendetwas ist falsch gelaufen, aber was? Ganz einfach: Wir haben uns an der Person vorbei in eine Idee verliebt. Bei einer solchen Verliebtheit begehren wir vor allem etwas, von dem wir wünschen, dass es das Gegenüber darstellt. Wir glauben, da jemanden erkannt zu haben - und dieser jemand uns. Wir hoffen und wünschen, dass es das sein könnte; unser Wunderkind, DIE Seelenpartnerschaft. Was man wünschen kann, das kann man sich auch herbeifühlen. Dass diese Verliebtheit so rasch abflaut, hat damit zu tun, dass die Realität sich irgendwann aufdrängt. Die Enttäuschung ist keine Überraschung, denn wenn wir jemandem eine Idee überstülpen, muss irgendwann das Ende der Täuschung folgen.
Ich kenne dieses Phänomen natürlich nicht nur vom Hörensagen. Im Laufe der Zeit habe ich aber für mich bemerkt, dass meistens ganz einfache Bedürfnisse dahinter stecken. Unabhängig davon, wie glücklich wir sonst mit unserem Singleleben sind, ist es menschlich, dass wir es manchmal satt haben, «alleine» zu sein. Dass wir einfach diesen Jemanden wollen, dem wir zutiefst vertrauen können, der uns berührt, innerlich und äusserlich, und uns fest in seine Armen schliesst - immer und überall. Jemand, der all unsere Leiden kennt, die zarten und schönen Tönen, die wilden und die schrägen. Jemand, der uns auf Augen- und Herzhöhe begegnet, uns belebt, und uns den Wind aus den Segeln nimmt, wenn es stürmisch wird. Dieser jemand, an dem wir uns auftanken können, wenn wir müde sind. Der uns lässt, dort wo wir sind, und uns lotst, wenn wir uns verrennen. Ja klar, wir haben solche Menschen in unserem Leben; in Form von Freundschaften und Familie. So wertvoll sie sind, und ich liebe meine sehr, ersetzen sie jedoch nicht diesen besonderen Jemanden.
Genau eben jene Bedürfnisse, die in uns allen tief schlummern, eignen sich als grandioser Betreiber unseres Kopfkinos. Einmal angeworfen, ist es schwierig wieder auszuschalten. Und je länger wir uns einbilden, dass diese Idee-Verliebtheit etwas echtes und gegenseitiges ist, desto wunderbarer wird der Film, der wir vor uns hin projizieren. Es fühlt sich echt an, ist es aber im Grunde nur die Projektion von etwas: nämlich vom Verliebtsein. Jene Bedürfnisse gehen zwar durch Reflexion nicht weg, dennoch kann es uns dabei unterstützen, den Schmerz der Enttäuschung zu verarbeiten, und nicht mehr so schnell auf eine Täuschung hineinzufallen. Wobei aber auch das Hineinfallen manchmal - wenn es uns gelingt diese Gefühle zuzulassen, wenn auch nur entstanden durch Projektion - unglaublich schön sein kann. Weil es ab und an gut tut, sich an eine Fantasie zu klammern, um kurzzeitig vor sich selbst zu fliehen. Und genau das hilft mir dann jeweils: die Reflexion meiner eigenen Anteile, wie aber auch das Annehmen ausnahmslos aller Gefühle, die daraus resultieren.
Was letztlich bleibt ist die hoffnungsvolle Vorstellung, dass es diese Seelenpartnerschaft für uns gibt. Irgendwo ist unser Wunderkind, und irgendwann werden wir es finden. Eine verlockende Idee, aber eben halt auch nur eine Idee. Häufig ausgelöst durch jene eingangs erwähnte gegenseitige Anziehung in einer Phase der von uns empfundenen Einsamkeit. Geboren aus unserem Streben nach Idealen in dieser Welt voller Möglichkeiten, in der wir in alle Richtungen huschen, in der Hoffnung, diesen einen Menschen zu finden. Eine Thematik, die ich hier zwar schon zu Genüge aufgegriffen habe, dennoch übernächsten Sonntag erneut verschriftlichen werde. Weil immer die selbe Erkenntnis daraus folgt. Wieder und wieder. Und weil ich glaube, dass sie essenziell ist für uns alle. Ob Single oder nicht.