Krankenkassenanerkennung? Nein, danke!

Im Gesundheitswesen ist eine Krankenkassenanerkennung der heilige Gral. Für Fachpersonen stillt sie das Bedürfnis nach Sicherheit und Planbarkeit, für Klientel ist es ein Ausgleich zu den sonst schon hohen Gesundheitskosten. Ich kenne mittlerweile jedoch zig Therapierende, die ihre Anerkennung wieder abgeben wollen, während zeitgleich immer mehr Klientel ganz bewusst eine Therapie auf Selbstzahlungsbasis anstrebt. Vorab möchte ich betonen, dass das bestehende Netz an seine Grenzen kommt, und ich es zum Zweck der Gesundheit unserer Gesellschaft extrem wichtig finde, dass es noch mehr kompetente und glückliche Fachpersonen mit Krankenkassenanerkennung gibt - und dass es schon jetzt, trotz aller Widrigkeiten, reichlich davon gibt. Umso stärker gelobe ich ihnen! Die Gründe für mein «Nein, danke» sind mehrschichtig. Da ich immer wieder danach gefragt werde, und der Ansicht bin, dass es in diesem System auch mal andere Stimmen braucht, führe ich sie anhand von drei Mythen rund um die Anerkennung gerne aus:


Es ist ein Qualitätslabel!
Was die Psychotherapie über die Grundversicherung angeht, stimme ich dem vollkommen zu. Hierfür ist ein Masterstudium (Universität oder Fachhochschule) mit strikten Zulassungsbedingungen und strengen Eignungsprüfungen, einer niedrigen Bestehungsquote mit einmaliger Wiederholungsmöglichkeit, zusätzlichen Weiterbildungen, sowie mehrjähriger Berufserfahrung nötig. Psychotherapeuten, welche von der Grundversicherung anerkannt sind, verfügen daher über maximalfundierte Ausbildung und Erfahrung. Was die Komplementärtherapie angeht, steht die Anerkennung alleine längst nicht für Qualität: Bei den Anerkennungsinstitutionen (EMR, ASCA, NVS) für die Abrechnung via Zusatzversicherung kann sich registrieren lassen, wer eine dafür vorausgesetzte Ausbildung absolviert hat. Meistens besteht die Zulassungsbedingung aus irgendeiner abgeschlossenen Grundausbildung, auf Eignungsprüfungen wird verzichtet, und die Bestehungsquote liegt bei 80-100% mit Wiederholungsmöglichkeit. Weder Weiterbildung noch Berufserfahrung sind für die Registrierung bzw. Anerkennung nötig.


Es befähigt zur erfolgreichen Ausübung des Berufs!
Wer eine Anerkennung hat, profitiert zwar eher von der Überweisung durch andere Fachpersonen im Gesundheitswesen (insbesondere durch Ärzte), ich kenne aber Diverse, welche trotzdem kein Klientel haben. Der Erfolg hängt von ganz anderen Faktoren - wie Sichtbarkeit, Akquise, Präsenz, Wissen und Know-How, etc. - ab, letztlich eben von der Qualität. Die Anerkennung schreibt vor, was wie abgerechnet werden darf und welche therapeutischen Mittel benutzt werden dürfen. Sie kann die Voraussetzungen und Regeln jederzeit ändern. Nebst den hohen Grundkosten verlangt sie jährlich ein gewisses Quantum an von ihr anerkannten Weiterbildungen in der registrierten Methode. Den Krankenkassen ist zudem situativ fallbezogene Rechenschaft abzulegen. Ich bin davon überzeugt, dass gerade in unserem Beruf von Herzen kommen muss, was auf Herzen wirken soll: jene Einschränkungen und Hürden mit sinnloser Bürokratie gleichen in meinen Augen vielmehr einer Zwangsjacke, als einem erstrebenswerten heiligen Gral, und würden somit für mich die erfolgreiche Ausübung vielmehr gefährden, als sie zu fördern. 

Es ist kundenfreundlich!

…die vermutlich grösste Täuschung, und ein grosser Punkt, weshalb ich mich entschieden habe, nicht Teil dieses (in meinen Augen) kranken Gesundheitssystems zu sein. Auf den ersten Blick mag es lukrativ sein da «sparsam», aber ein Blick hinter die Fassade lohnt sich: Für die Abrechnung über die Grundversicherung ist zunächst die Konsultation des Hausarztes notwendig. Falls diese:r es für notwendig erachtet, erhält man die Verordnung zur Psychotherapie. Meistens überweist der Hausarzt an einen Psychotherapeuten seiner Wahl (oft Psychiatrische Praxis mit delegierter Psychotherapie), dort findet dann ein weiteres Vorgespräch mit dem Psychiater statt (ggf. mit Abgabe von Psychopharmaka), erst dann erfolgt die Weiterleitung an einen Psychologen. Die Wartezeiten betragen teilweise mehrere Monate, die Anzahl und Dauer der Sitzungen ist begrenzt. Bis zum Erreichen des Selbstbehalts sind die Kosten vollumfänglich selber zu tragen. Was viele nicht wissen, jedoch besonders prekär ist: sobald Psychotherapie über die Kasse abgerechnet wird, erschwert sich ein Wechsel des Versicherungsmodells frappant und eine Aufnahme in die Krankentaggeld- und Erwerbsausfallversicherung bei allfällig späterer Selbständigkeit wird praktisch verunmöglicht. Wer eine Zusatzversicherung für Alternativmedizin hat, kann bei anerkannten Therapeuten eine Komplementärtherapie in Anspruch nehmen, wobei je nach Versicherung bis zu 80% der Kosten übernommen werden. Wie es der Name allerdings schon sagt: es ist eine ergänzende (=komplementäre) Therapie. Bei tieferliegenden Anliegen also keine (empfehlenswerte) Alternative. Last, but not least: Durch die im letzten Abschnitt erwähnten Regeln und vorgegebenen Abrechnungsansätzen rentiert eine Anerkennung in beiden Fällen finanziell nur, wenn sie auf Masse optimiert wird. Darum besteht bei anerkannten Therapierenden verständlicherweise die Gefahr von möglichst viel Klientel, möglichst vielen Termine, und möglichst viel von dem was zusätzlich abgerechnet werden darf. Auf wessen Buckel wird das Ganze also am Ende abgewälzt? Richtig, auf jenem der Kundschaft.


Mein heiliger Gral für Qualität, Erfolg und Kundenfreundlichkeit:

Als ich im Januar 2022 beschlossen habe, zugunsten der Ganzheitlichkeit, meiner Freiheit, und dem Wohl meiner Klientel unabhängig von Krankenkassen zu bleiben, habe ich mir aber natürlich auch überlegt, wie ich die wenigen Vorteile einer Anerkennung ausgleichen kann: Nebst proaktivem Netzwerken mit der Ärzteschaft, habe ich einen Sozialtarif eingeführt, welcher sich in begründeten Fällen den finanziellen Verhältnissen individuell anpasst. Mein Angebot steht somit allen Menschen uneingeschränkt zur Verfügung. Das eigens entworfen ganzheitliche Konzept bildet das Fundament meines freien Wirkens und ermöglichen massgeschneiderte Behandlungen - die zeitnahe Aufnahme sowie die rundum Erreichbarkeit bei Notfällen runden es ab. Ich habe und nehme mir gerne Zeit für jede:n Einzelne:n. Stetige Weiterbildungen nach meinem Gusto und die rege Vernetzung mit anderen Fachpersonen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen sind für mich keine Verpflichtung, sondern eine Selbstverständlichkeit. Und mein Sicherheitsbedürfnis wird durch die Erfahrung gestillt, seit gut acht Jahren immer mehr als genug Klient:innen zu haben.

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