Bekanntlich bin ich ein Mensch, der stets bemüht ist, allem noch so Verschissenem etwas Positives abzugewinnen, und einen tieferen Sinn dahinter zu erkennen. Es ist eine Fähigkeit, die ich an mir mag. Nicht zuletzt bin ich dadurch mit vielem versöhnlich unterwegs, und stelle mich vertrauensvoll den Herausforderungen des Lebens. Ich bekenne mich aber auch dazu, dass sich nicht in jedem stinkendem Scheisshaufen ein Goldstaubkörnchen verbirgt, das es zu finden gilt.
Heutzutage ist es en vogue positive vibes zu verbreiten. Ich finde das toll, distanziere mich aber vom Zusatz «only», der hierzu oftmals verwendet wird. Wo Licht ist, ist auch Schatten - das war immer so, und wird immer so sein. Wenn wir uns selbst - und unseren Mitmenschen - in schweren Zeiten mit jener toxischen Positivität begegnen, indem wir versuchen jeglichen Schmerz einfach klein- und wegzureden, stärkt das nicht unsere Resilienz, sondern verleugnet unsere Realität und verhöhnt unseren Schmerz. Und das ist nicht selten der qualvollere Schlag ins Gesicht, als der Schmerz selbst verursachen würde.
Kurzum erscheint es mir also sinnvoll, allem im Leben - dem Hellen und dem Dunklen - mit einer gewissen Unvoreingenommenheit zu begegnen. Nichts, was wir nicht anerkennen und verstehen, kann in der Tiefe heilen. Manchmal tut es gut, einfach anzunehmen, was gerade ist. Es kann durchaus wohltuend sein, mit fest verschränkten Armen an Ort und Stelle zu verharren, und den Kopf im tränenüberströmten Kissen versinken zu lassen. Und anstatt «das Gute daran ist...» zu sagen «ich bin da - ich sehe und halte dich». Zu uns selbst und zu anderen. Vielleicht beginnen wir dann allmählich zu verstehen, zu bewältigen, und erkennen hinter allem einen Sinn. Vielleicht lautet das Fazit aber auch schlichtweg mal «scheisse gelaufen!» - und das ist dann schon sehr viel mehr als genug und besser als richtig, weil: #allvibesonly.