
In gewissen Szenen wird gerne behauptet, es gäbe keine Dunkelheit und Böses, sondern es sei alles Licht und Liebe. Ich hingegen bin überzeugt, dass es überall auf dieser Welt (und darüber hinaus) Dualitäten gibt, und sich das eine ohne das jeweilige andere gar nicht begreifen liesse. Ein einfaches Beispiel: wenn du mit einer Grippe im Bett liegst, und deine Lebensgeister danach allmählich wieder zurückkehren - wie fühlst du dich dann? Die meisten Menschen berichten, dass sie es wieder richtig schätzen gesund zu sein. Etwas, was wir im Alltag als selbstverständlich hinnehmen, gewinnt also durch die Präsenz seiner Dualität wieder an Wert.
Bei Licht und Dunkelheit, Gesundheit und Krankheit, Liebe und Bösem handelt es sich nicht - wie oft angenommen - um polare Zustände oder um die Abwesenheit des anderen. Alles geht lebenslang fliessend ineinander über; manchmal fühlen wir uns gemittet, manchmal ist aber auch das eine oder das andere dominant. Grundsätzlich verfügen wir alle über eine innewohnende Fähigkeit, pathogene Faktoren ausreichend wirksam über die Selbstregulation zu kontrollieren. In länger andauernden Phasen von Stress und/oder durch besonders einschneidende Ereignisse wird jedoch die seelische und körperliche Adaptionsfähigkeit eines jeden Menschen überfordert, wenn nicht genügend Ressourcen und Resilienzfaktoren aktiviert werden können. Wenn nun eben jene daraus resultierende Symptome und Warnsignale nicht beachtet werden, können anhaltende Beeinträchtigungen entstehen.
Ich empfinde dieses Bewusstsein als elementar für unser ganzheitliches Wohlbefinden. Wenn wir nämlich die Dunkelheit, die Krankheit und das Böse verleugnen oder ablehnen, verweigern wir im Umkehrschluss indirekt auch das Licht, die Gesundheit und die Liebe. Es ist mehr als menschlich, dass wir uns ab und an den einen oder anderen Schattenanteil wegwünschen; er verschwindet aber nicht durch unsere Ignoranz und Ablehnung, sondern er transformiert sich durch unsere Anerkennung und Zuwendung. Es geht nie um die Bekämpfung von irgendetwas, sondern immer um die Akzeptanz von allem. Denn wir sind alles und nichts.